Verein für angewandte Lernforschung
und individuell berufliche Förderung e.V.

Legasthenie

Erkennungsmerkmale einer Legasthenie (Lese-/Rechtschreibstörung):

Wenn eines oder mehrere der folgenden Erkennungsmerkmale auftreten, sollte eine genaue Diagnose durchgeführt werden:

  • Das Kind verwechselt ähnlich klingende Laute und Lautkombinationen (dragen/tragen, Vata/Vater, Marschine/Maschine).
  • Das Kind hat Schwierigkeiten mit der richtigen Reihenfolge der Buchstaben.
    Statt „Lied“ wird „Leid“, statt „Garten“ „Graten“ geschrieben oder gelesen.
  • Verwechslung ähnlich klingender Laute (m/n, ng/n, b/p), auch zum Teil beim Lesen.
  • Das Kind liest und schreibt optisch ähnliche Zeichen (b/d/p, m/n/u) falsch.
  • Das Kind lässt Buchstaben am Wortanfang bzw. -ende oder im Wortinneren aus.
  • Länge oder Kürze eines Selbstlautes werden nicht erkannt (z.B. Himmel/Himel, mit entsprechenden Problemen beim Lesen).
  • Trotz Übens gibt es viele wiederkehrende Fehler; das falsch geschriebene Wort wird jedes Mal anders falsch geschrieben. Auch schulbegleitende Nachhilfe führt nicht zum Erfolg.
  • Das Kind liest buchstabierend, stockend und teilweise ohne den Sinn zu verstehen.
  • Das Kind liest nur ungefähr nach dem Inhalt, nicht, was wirklich dasteht. Es beachtet die Endungen nicht und liest z.B.: “Michael kaufen (kauft) ein Eis”.
  • Das Kind erkennt fehlerhaft Gelesenes nicht, auch wenn es keinen Sinn ergibt.
  • Das Kind hat Schwierigkeiten, Reime zu erkennen oder zu bilden.
  • Dem Kind gelingt die Silbenzerlegung nur mühsam.

Lese- und Rechtschreibstörung (d.h. ein spezielles "Versagen" beim Erlernen des Lesens und/oder der Rechtschreibung) hat kein einheitliches Erscheinungsbild.

Die Merkmale müssen nicht alle gleichzeitig vorhanden sein. Zudem können sie in unterschiedlicher Ausprägung auftreten.

Eine Legasthenie kann eine Störung des Lesens und des Rechtschreibens umfassen, muss es aber nicht. Wir kennen auch das Problem der isolierten Lesestörung und der isolierten Rechtschreibstörung.

Ein Kind mit einer Legasthenie ist weder dumm noch faul, sondern bedarf der gezielten Hilfe.

Berühmte Legastheniker gibt es übrigens in allen Bereich der Kunst, Kultur und Politik (Näheres als pdf.Datei).
 

Definitionen

Weltgesundheitsorganisation (WHO):
Internationale Klassifikation psychischer Störungen, ICD 10,
Bern, Göttingen, Toronto, Seattle, GM Version 2018

Der ICD 10 gilt als verbindliche Grundlage für die Diagnostik von Teilleistungsstörungen durch Kinder- und Jugendpsychiater.
Mehr unter http://www.icd-code.de/icd/code/F81.1.html

Der Bundesverband Legasthenie und Dyskalkulie e.V. hat inzwischen Abstand von einer eigenen Definition genommen und verweist auf den ICD 10.
Mehr unter https://www.bvl-legasthenie.de/legasthenie.html

 

Ursachen

Die bereits in den Definitionen enthaltenen Ursachenerklärungen einer Legasthenie zeigen ein sehr weites Spektrum an Erklärungsmöglichkeiten. Dennoch gibt es hinsichtlich einer Lese-/ Rechtschreibstörung heute noch immer keine eindeutige Ursachenklärung.

A-L-F e.V., geht davon aus, dass für derart komplexe Störungen verschiedene Ursachen, die auch gleichzeitig vorliegen können, in Frage kommen. Diese können innerer und / oder äußerer Natur sein (Näheres als pdf-Datei). Dazu zählen u. a. organische, neurologische, psychische, soziale und emotionale Ursachen. Das komplexe Störungsbild geht mit einer Reihe von Auffälligkeiten in der visuellen (Sehen) und auditiven (Hören) Wahrnehmung einher.

Dazu der Bundesverband Legasthenie und Dyskalkulie e.V.:
https://www.bvl-legasthenie.de/legasthenie/ursachen.html
 

Innerschulische Hilfsmöglichkeiten

Bei Verdacht auf die Teilleistungsstörung Legasthenie (Lese- Rechtschreibstörung) / empfiehlt sich eine umfassende Diagnostik. Ab Ende der 1. Klasse gibt es standardisierte Tests, die eine solche Störung feststellen können.

Möglich sind innerschulische und/oder außerschulische Hilfen.

 

Schulische Möglichkeiten in Bayern

Seit dem 1. August 2016 gilt die neue Bayerische Schulordnung. Der seit 1999 existierende Erlass bezüglich Legasthenie / Lese-Rechtschreib-Schwäche ist außer Kraft gesetzt.

Gültigkeitsbereich der neuen Regelungen

  • nur für den Bereich der allgemeinbildenden und beruflichen Schulen, nicht für Sonderschulen oder Schüler, die im Zuge der Inklusion an Regelschulen unterrichtet werden
  • nur für das bayerische Schulsystem, nicht für das Vorgehen der Jugendämter

Neu ist:

  • dass es keinen Rechtsanspruch auf Förderung mehr gibt, jede Schule entscheidet für sich, ob ein Nachteilsausgleich und/oder Notenschutz gewährt werden.
  • Die Unterscheidung zwischen Lese-Rechtschreibstörung (Legasthenie) und Lese-Rechtschreibschwäche (LRS) ist aufgehoben, es gibt nunmehr ausschließlich die Legasthenie.
  • Der Nachteilsausgleich und/oder Notenschutz müssen von den Eltern innerhalb der ersten zwei Wochen zu Schulbeginn bei der jeweiligen Schulleitung beantragt werden. Diese entscheidet über Art und Umfang der Hilfen.
    Nach jedem Schulwechsel prüft die Schulleitung, welche Maßnahmen zu gewähren sind.
  • Für den Nachweis einer Lese-Rechtschreib-Störung ist stets eine schulpsychologische Stellungnahme erforderlich und ausreichend.

Man unterscheidet zwischen drei Formen der innerschulischen Hilfen(§ 32 bis § 34):

1.  individuelle Unterstützung (BaySchO § 32):

die Lehrkraft kann im Unterricht jede Hilfe gewähren, die ihm/ihr sinnvoll erscheint. Die Maßnahmen dürfen aber nur den Unterricht und Hausaufgaben betreffen, nicht den Prüfungsbereich! Sie werden nicht im Zeugnis erwähnt.

2. Nachteilsausgleich (BaySchO § 33):

Die Prüfungsanforderungen bleiben insgesamt gewahrt. Der Nachteilsausgleich hilft den Schülern, die Aufgaben auf demselben Niveau trotz ihrer Beeinträchtigung zu erfüllen. Beispiele für den Nachteilsausgleich:
Zeitverlängerung, Strukturierungshilfen bei längeren Texten, Vorlesen von Arbeitsaufträgen, usw.
Der Nachteilsausgleich wird nicht im Zeugnis vermerkt.
Ob ein Nachteilsausgleich gewährt wird, entscheidet die Schulleitung nach individueller Einschätzung.

3. Notenschutz (BaySchO § 34)

Mit dem Notenschutz wird auf einen Teil der Leistungsbewertung verzichtet. Daher ist der Notenschutz mit einem Zeugnisvermerk verbunden, der angibt, welche Leistung nicht erhoben wurde, z.B. „Die Rechtschreibung wurde im Fach Deutsch nicht bewertet.“
Folgende Notenschutzmaßnahmen sind bei einer Legasthenie möglich:

Rechtschreibstörung:

  • Auf die Bewertung der Rechtschreibleistung kann verzichtet werden.
  • In den Fremdsprachen, mit Ausnahme der Abschlussprüfung, können mündliche Leistungen stärker gewichtet werden.

Lesestörung:

  • In den Fächern Deutsch, Deutsch als Zweitsprache und in den
                Fremdsprachen wird auf die Bewertung des Vorlesens verzichtet.

Kombinierte Lese-Rechtschreib-Störung:

  • Der Notenschutz setzt sich aus beiden Maßnahmen zusammen.

Auch hier liegt die Entscheidung, ob diese Hilfe gewährt wird, nach individueller Einschätzung, bei der Schulleitung.

Die Eltern müssen einen schriftlichen Antrag stellen (Siehe oben).

Erster Ansprechpartner, wenn ein Nachteilsausgleich und/oder Notenschutz für ein Kind gewünscht wird, ist der Schulpsychologe!

Beachte:

Für die außerschulische Förderung bei Legasthenie
( i.d.R. eine individuell ausgerichtete lern- und psychotherapeutische Einzeltherapie, durchgeführt von Fachpersonal),
deren Finanzierung über das Jugendamt beantragt werden kann (hier hat das Kind nach § 35a, SGB VIII einen Rechtsanspruch!),
ist ein kinder- und jugendpsychiatrisches Gutachten nach dem ICD 10 WHO erforderlich!

 

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